Erzähl uns deine Geschichte
Im Zeitraum vom Oktober 2017 bis Juli 2018 nahm die Klasse 5 c, im Rahmen von SprachBewegung e.V. an dem Projekt Tanz & Kreatives Schreibforum teil. Schon das erste Treffen mit den Schülerinnen und Schülern war sehr vielversprechend. Ich hatte ihnen erzählt, dass ich Bücher schreibe und ihnen mein Kinderbuch Lisa und Egon – Ein Nilpferd tanzt den Nussknacker aus Zooenzuckerland mitgebracht. Meine Idee, ein Kinderbuch zu schreiben, wo man den Text in Bewegung umsetzen kann fanden alle sehr spannend.
Und plötzlich waren wir in einer regen Diskussion über Bücher schreiben, Geschichten erfinden und das Verlagswesen. So wurde aus einer angedachten Vorstell- und Begrüßungsrunde von ca. 30 Minuten fast eine ganze Doppelschulstunde. Es nahmen 10 Jungen und 12 Mädchen an dem Projekt teil. Zum größten Teil mit Migrationshintergrund. Darunter ein Förderschüler und zwei Schüler kamen im Laufe des Schuljahres dazu, die noch keine Deutschkenntnisse hatten. Drei Schüler waren erst seit drei Jahren in Deutschland und konnten gebrochen Deutsch. Unterschiedlicher konnten die Voraussetzungen der Schüler*innen nicht sein.
Ich kenne keine Schulform, wo die Unterschiede so gewaltig sind wie in der Mittelschule. An sich ist es unter diesen Voraussetzungen nicht zu schaffen, jeder Schülerin oder jedem Schüler gerecht zu werden. Aber trotz der Umstände partizipieren die Kinder im besonderen Maße vom kreativen Schreiben. Denn beim kreativen Schreiben geht es in erster Linie nicht um Rechtschreibung, sondern um logisches Denken, Vorstellungskraft, Empathie und vieles mehr, sodass auch schwächere Schülerinnen und Schüler ins Schreiben gut rein finden und sich entwickeln können. Die Sprache, die Rechtschreibung und der Wortschatz entwickeln sich automatisch über den kreativen Denk- und Schreibprozess.
Schreib deine Geschichte
heißt das Motto – und bedeutet letztendlich auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken oder/und mit sich selbst. Und ich kann nicht verstehen, warum Privatschulen und Eliteuniversitäten Fördermittel zur Verfügung gestellt bekommen für das Fach Persönlichkeitsbildung und Regelschulen nicht.
Dabei könnte gerade das Kreative Schreiben einen sehr guten Beitrag dazu leisten. Nicht nur für die eigene Persönlichkeitsentwicklung über selbstgewählte Themen oder die Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken und Gefühlen, sondern auch über die Präsentation, den Vortrag der eigenen Geschichte. Meine Erfahrung in den letzten zehn Jahren ist, dass die Kinder zu oft unter ihren Möglichkeiten bleiben. Sowohl die Lernbegabten, als auch die Schwächeren. Es müssten schneller neue Impulse und Anreize geschaffen werden. Mit neuen Lernfeldern, die sich am Zeitgeist orientieren. Was heute gelehrt wird ist zu schnell veraltet. Das finde ich ist eines der Kernprobleme des Schulwesens.
Mit Spaß zum Erfolg, dass sollte der Ansatz der Schule sein. Kreatives Schreiben könnte davon ein Baustein sein! Die Schüler*innen waren mit Feuereifer beim Tanz und beim Filmen dabei, auch die Jungen, was nicht selbstverständlich ist und alle konnten sich mit tollen Ideen einbringen.
Die Angst vor Rechtschreibfehlern und Grammatik war groß, so dass die Schülerinnen und Schüler niemanden zunächst einladen wollten. Aber nachdem die Kinder gesehen haben, wie gut Ihre Ideen ankamen bei den Mitschülern, wurde neben der Schulleitung auch die Eltern und eine Schulklasse eingeladen. Und plötzlich meldeten sich auch andere Kinder zum Vorlesen, die sich am Anfang gar nicht getraut haben. Die Aufführung war dann auch ein voller Erfolg. Die Leistung der Schülerinnen und Schüler wurde vom Publikum mit lautem Beifall gewürdigt.
Ein Highlight war auch die Mappe, die wie bei einer Preisverleihung jedem Schüler überreicht wurde. Darin alle Geschichten und Texte der Kinder, die sie selbst geschrieben und gestaltet haben. Das zweite Highlight war der animierte Comictanzfilm mit dem Thema Begegnungen, den die Schüler gleich zwei Mal sehen wollten.
Mein Fazit ist: Die Schülerinnen und Schüler waren sichtlich stolz auf ihre Arbeit. Das kreative Schreiben hat ihnen Spaß gemacht und es gab dabei eine ganze Menge zu entdecken und zu lernen. Das hat man auch daran gesehen, dass sie sich sehr viel Mühe mit der Gestaltung ihrer Texte gegeben haben und mit Spiel- und Tanzfreude den Film umgesetzt haben.
Ein wertvolles Projekt für die Schülerinnen und Schüler – für mich auch!
Tina Lizius